Armeen in der Dunklen Zeit Die germanischen Stämme, die das Römische Reich zu Beginn des Mittelalters überrannten, kämpften in erster Linie zu Fuß mit Äxten und Schwertern. Sie trugen kaum Rüstung, lediglich Helm und Schild. Organisiert waren sie in Kriegshorden unter der Führung eines Ältesten. Sie waren gefürchtete Krieger, doch sie kämpften als wilde, ungeordnete Scharen. Die geordneten und disziplinierten römischen Legionen waren jahrhundertelang siegreich über die germanischen Stämme, nicht zuletzt weil emotional geleitete Armeen in der Regel leicht verwundbar sind. Als jedoch die römischen Legionen im untergehenden Römischen Reich immer schwächer wurden, gelang es den germanischen Stämmen, über die Grenze vorzustoßen. Nicht alle germanischen Stämme kämpften zu Fuß. Ausnahmen waren die Goten, die den Umgang mit Pferden erlernten, nachdem sie sich zuvor nördlich des Schwarzen Meeres niedergelassen hatten. Durch den Kontakt mit dem Oströmischen Reich südlich der Donau und den barbarischen Reitern in Asien machten sowohl die West- als auch die Ostgoten Bekanntschaft mit der Kavallerie. In den oströmischen Armeen nahm die Kavallerie wegen der Auseinandersetzungen mit berittenen Barbaren, den Parthern und den Persern einen besonderen Stellenwert ein. In den Jahrhunderten nach dem Untergang Roms prallten bei den meisten kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa Fußtruppen aufeinander. Eine Ausnahme mögen die Schlachten Arthurs von Britannien gegen die einfallenden Sachsen gewesen sein, obwohl nicht belegt werden kann, dass seine Erfolge auf dem Einsatz der Kavallerie beruhten. Es ist jedoch möglich, dass Arthur das Vordringen der Sachsen in Britannien 50 Jahre lang dank seiner Kavallerie und geordneter Truppen aufhalten konnte. Eine weitere Ausnahme war die byzantinische Armee, die Nordafrika von den Vandalen zurückeroberte und Italien im 6. Jahrhundert beinahe wieder unter oströmische Herrschaft gebracht hatte. Die Stärke des byzantinischen Heeres jener Zeit lag in der Kavallerie. Die Byzantiner profitierten aber auch von einer überlegenen Führung und einem besonderen Verständnis für Kriegstaktiken - Eigenschaften, an denen es den Barbaren mangelte. In diesen ersten Jahrhunderten wurden Kämpfe von Gruppen ausgetragen, die wohl kaum als Heer bezeichnet werden können. Es waren dieselben Kriegshorden wie zuvor: gemessen an byzantinischem oder asiatischem Standard waren es kleine Einheiten, die Taktik und Strategie nur in beschränktem Maße anwendeten. Die wichtigsten militärischen Handlungen waren Raubzüge zur Beschaffung von Nahrungsmitteln, Vieh, Waffen und Sklaven. Aggressive Stämme breiteten sich aus, indem sie die Vorrichtungen zur Nahrungsmittelherstellung des Feindes zerstörten, ihn auf diese Weise aushungerten und anschließend die Überlebenden als Sklaven nahmen. Eine Schlacht war im Wesentlichen das Aufeinanderprallen kriegerischer Horden, die im Nahkampf mit Äxten und Schwertern fochten. Sie kämpften in undisziplinierten Haufen und nicht in geordneten Formationen, wie sie für die Römer typisch waren. Sie trugen Schild, Helm und Teile einer Rüstung. Üblich war eine Lederrüstung, nur die Ältesten und Elitetruppen trugen Kettenhemden. Im frühen 8. Jahrhundert fiel das westgotische Spanien an die islamischen Krieger, von denen viele zur leichten Kavallerie gehörten. Zur gleichen Zeit vermehrten sich die berittenen Überfälle nomadischer Magyaren aus dem ungarischen Flachland auf Westeuropa. Im Jahre 732 gelang es einer fränkischen Infanteriearmee, einen berittenen Überfall von Moslems in der Nähe von Poitiers zu zerschlagen, wodurch die islamische Expansion nach Norden beendet wurde. Karl Martell, Kriegsherr der Franken, war von der maurischen Kavallerie so beeindruckt, dass er damit begann, einen Teil seines Heeres mit Pferden auszustatten. Die Umstrukturierung wurde im weiteren Verlauf des Jahrhunderts unter dem bedeutenden fränkischen König Karl dem Großen fortgesetzt. Die fränkische schwere Kavallerie war der Grundstein für das Aufkommen der berittenen Krieger, der Ritter, die für die mittelalterliche Kriegsführung charakteristisch wurden. 30 Jahre lang führte Karl der Große jährlich Feldzüge durch, die sein Reich vergrößerten. Die fränkische Armee verfügte über Infanterie und gewaffnete Kavallerie. Letztere war seine wertvollste Waffe mit der größten Reputation. Die berittenen Krieger konnten sich schnell bewegen und harte Schläge gegen die meist zu Fuß kämpfenden Gegner austeilen. Die Feldzüge Karls des Großen waren Raubzüge, bei denen gebrandschatzt, geplündert, zerstört und der Feind unterworfen wurde. Nur selten traf er auf einen organisierten Gegner. Die Wikinger kämpften ausschließlich zu Fuß. Es war bei ihnen jedoch üblich, dass sie nach dem Landgang Pferde für Überfälle im entfernteren Inland zusammentrieben. Ihre Raubzüge begannen im späten 8. Jahrhundert und endeten im 11. Jahrhundert. Die Nachkommen dieser Wikinger, die Normannen im Nordwesten Frankreichs, übernahmen rasch den Gebrauch von Pferden und zählten zu den erfolgreichsten Kriegern des späten Mittelalters. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts begannen auch die Deutschen unter Otto I. mit dem Aufbau einer Kavallerie, die eine wirkungsvolle Abwehrwaffe gegen die Raubzüge der Wikinger und die berittenen Überfälle der Barbaren aus dem Osten sein sollte. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts war die schwere Kavallerie ein wichtiger Bestandteil der meisten europäischen Heere geworden. Ausnahmen waren die Armeen der Angelsachsen, der keltischen Länder (Irland, Wales und Schottland) und von Skandinavien.